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Jazztage 2004
Klaus Doldinger
Wohl kaum ein anderes Land ist mit solchen Klischees behaftet wie Brasilien. Otto Normalverbraucher, dem es seit Einführung von Billigflugtarifen heute auch vergönnt ist, in die Tropen aufzubrechen, stellt sich womöglich eine endlose Samba-Staffette an der Copacabana vor, die von Bananen umrankten Schönheiten des Landes effektvoll in Tanzschritte umgesetzt wird. Andere wiederum träumen vielleicht von Caipirinha unterm Sternenzelt, untermalt von sanften Bossa Nova Klängen eines Sergio Mendes.

Glücklich die, die auch einmal einen Blick hinter die Pappfassaden der Werbeflächen wagen wollen. Meist sind dies -schon allein von Berufs wegen - neugierige Menschen: Künstler, Musiker, die seit Stan Getz´ Entdeckung der Bossa Nova für den Rest der Welt immer wieder - hier sei ein Klischee gestattet - an den Zuckerhut pilgern. Ob David Byrne, Paul Simon, Sting - die Liste derer ließe sich beliebig erweitern, die sich von Brasiliens unvergleichlicher Musik inspirieren lassen wollten.

Natürlich bietet die brasilianische Polyrhythmik, aber auch der entwaffnende Charme südamerikanischer Melodiegebung geradezu ideale Voraussetzungen für die eigentliche Kreativabteilung im Musikbusiness, den Jazz. Klaus Doldinger, der sich auch mit seinen nunmehr 67 Jahren ein Interesse an neuen Sounds und fremden Einflüssen bewahrt hat, besuchte kürzlich zum zweiten Mal Brasilien. Was er dort erlebt hat, davon kündet "Passport Back to Brazil", sein neues, wenn wir richtig mitgezählt haben, 28. Album mit seiner Leib-und-Magen-Formation Passport. Im Titel ist auch schon ausgedrückt, worum es Doldinger in der Hauptsache zu tun ist. Denn noch immer, seit sage und schreibe 32 Jahren, betrachtet der vielseitige Saxophonist, Arrangeur und Komponist Passport als Mittelpunkt seiner ansonsten vielfältigen Aktivitäten, selbst wenn man die Auftragsarbeiten für Film und Fernsehen schon nicht mehr zählen kann.

Mitte der siebziger Jahre brachen Doldinger und Passport nach Brasilien auf, Ergebnis war die - sehr erfolgreiche - Langspielplatte "Iguaçu" und eine begleitende TV-Dokumentation. In der Rückschau lässt sich bekanntlich vieles behaupten, unbestritten scheint jedoch in diesem Falle, dass die Musik von Passport tatsächlich seit diesem Brasilien-Trip an rhythmischer Finesse und Intensität erheblich dazu gewonnen hat.

Nun, 26 Jahre später, begab man sich erneut an der Ort vielfältiger Inspiration. Es sagt einiges über den Rang und die Reputation Doldingers aus, dass mit 3Sat einer der profiliertesten Kultursender weltweit die Schirmherrschaft über dieses Projekt übernommen hat. Frei von jeder drohenden Deadline bewegten sich die Passport-Musiker zwei Wochen im Lande, gaben Konzerte und Workshops oder ließen einfach den Flair der einzelnen Regionen, die sie besuchten, auf sich wirken. Doch Klaus Doldinger wäre nicht der gewissenhafte Bandleader, wenn er nicht zur abschließenden Plattensession in Rio de Janeiro Material vorbereitet gehabt hätte. So erhielten all die Ideen und Kompositionen, die im heimatlichen Icking bei München ihren Ausgangspunkt genommen hatten, durch die spontane Mitwirkung einiger brasilianischer Musiker vor Ort letztlich eine gehörige Portion "latin flavor".

So gelassen und souverän, wie es nur gestandenen Musikern möglich ist, bewegt sich die Band sicher im Fluss der Latin Beats ("Samba Cinema") und World Grooves ("Airport"), ohne dabei jedoch Gefahr zu laufen, in sterile und seelenlose Soundgefilde abzudriften. Denn was Doldingers Musik stets von Produktionen anderer Künstler unterscheidet, ist die handwerkliche Qualität, da macht ihm so leicht keiner etwas vor. Nichts bei Doldinger kommt aus der Retorte, alles ist live eingespielt und, das ist das Entscheidende, es kann jederzeit bühnengerecht aufbereitet werden, - keineswegs eine Selbstverständlichkeit im heutigen Musikgeschäft. Die stilistische Bandbreite von "Passport to Brazil" reicht von elegischen Sound-Malereien ("Moon over Bahia"), unaufdringlichen Balladen ("Melancholia") bis hin zu treibendem Jazzrock mit bezwingender Hookline, hier von Tenorsaxofon und Gitarre gleichzeitig vorgetragen ("Bellydance"); übrigens eine Spezialität von Doldinger, die sich bis zu den ersten Passport-Produktionen zurückverfolgen lässt. Sein kraftvoller Ton auf dem Tenorsaxofon, der im Übrigen ohne das effektheischende "Honking" eines Big Jay McNeely oder die Bemühung höchster Register à la Illinois Jacquet auskommt, ist nach wie vor das "Trademark" von Passport. "Ich habe keinen gefilterten Saxophonsound, ich versuche das, was ich spiele, möglichst gerade und unverfälscht zu erhalten," so Doldinger in einem Interview mit der Zeitschrtift "Fono Forum". "Wenn man schon über einen guten Sound verfügt, sollte man ihn auch möglichst nicht bearbeiten." Wenn wir richtig hingehört haben, ist die lyrische Seite Doldingers, die sich vor allem in den Sopransaxofonpassagen entfaltet, stärker zum Vorschein gekommen als bei früheren Aufnahmen. Die Weisheit des Alters? Doldinger wehrt ab: "Während besonders amerikanische Musiker irgendwann einmal die Öffentlichkeit scheuen und dann nur noch im Studio sitzen, möchte ich doch vor Publikum spielen. Wenn man es schafft, die Musik adäquat live zu präsentieren, ist das für mich so eine Art Gütesiegel." Man darf also schon jetzt davon ausgehen, dass der "Passport Back to Brazil" auch live zu überzeugen weiß.

Tom Fuchs

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